Treptow-Köpenick liegt im Südosten Berlins und ist ein gemeinsamer Verwaltungsbezirk von Berlin. Der Bezirk ist der flächengrößte Bezirk der Stadt und erstreckt sich vom Rande Kreuzbergs mit seiner typischen städtischen Infrastruktur bis zu ausgedehnten Wasserflächen, wie dem Müggelsee oder Waldgebieten am Rande der Stadt. Was viele nicht wissen: In diesem Bezirk hat Berlin Geschichte geschrieben, deshalb bekommst du hier die historische Tour durch Treptow-Köpenick.

Hier im Bezirk öffnete der erste unternehmerisch geführte Flugplatz Johannisthal, in damals innovativen Windkanälen wurde das Verhalten abstürzender Flugzeuge erforscht, im Treptower Park zeigte die Berliner Kolonialausstellung auf äußerst unrühmliche Weise die erste Völkerschau im Deutschen Kaiserreich, im Bahnbetriebswerk Schöneweide riechst du noch den Dampf alter Lokomotiven, in Grünau gab es große Feste zu gesellschaftlichem Anlässen, geheime Soldatensender funkten aus dem Funkhaus Grünau ihre Propaganda und im Plänterwald stand der DDR einziger Vergnügungspark.

Mit dieser Tour im Blog führe ich dich an alle historischen Schauplätze, teils zu Fuß, teils mit der Bahn. Für jeden Ort solltest du ausreichend Zeit einplanen, so dass diese Tour nicht am Stück zu absolvieren ist, vielmehr solltest du gezielt für dich interessante Schauplätze auswählen.

Stillgelegte Bahntrasse nach Görlitz

Wir starten diese Tour in Kreuzberg am Görlitzer Bahnhof, der Kopfbahnhof war bis 1951 Ausgangspunkt der Eisenbahnstrecke über Königs Wusterhausen, Lübben, Lübbenau und Cottbus bis nach Görlitz, daher auch sein Name. Heute ist vom Bahnhof nicht mehr viel zu sehen, dafür wurde aus dem Areal ein Park, der „Görli“, der heute aus anderen Gründen voller süßer Düfte in aller Munde ist.

Der Park und die frühere Bahnstrecke mit ihren Brücken ist heute ein Spaziergang wert: Er führt dich durch die Natur dort, wo früher die Züge unterwegs waren, darfst du heute spazieren, wandern oder Rad fahren. Dabei lohnt ein Abstecher zum Flutgraben, um am Wasser zu chillen, hier steht noch einer der alten Grenztürme der Berliner Mauer. Im Hallentrödelmarkt nebenan kannst du Geschichte im Kleinen atmen und vielleicht noch den einen oder anderen nützlichen Gegenstand erwerben.

Sowjetisches Ehrenmal und unrühmliche Völkerschau

Mitten im Treptower Park ragt das größte Ehrenmal zur Erinnerung an die gefallenen Soldaten der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg empor. Das Ehrenmal ist die wichtigste Gedenkstätte dieser Art in Deutschland. Die rund 7000 Gräber am Ehrenmal sind rein symbolisch. 1946 bis 1949 wurde das Sowjetische Ehrenmal erbaut, zu Zeiten der DDR war es nicht nur ein Ort des Gedenkens, sondern auch Mittelpunkt von Massenveranstaltungen und Staatsritualen der DDR.

Vor seinem Bau war die Wiese im Treptower Park Ausflugsziel der Berlinerinnen und Berliner und Spielplatz für Kinder im Kaiserreich. So entstand auch das Gasthaus „Eierschale“ Zenner zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Ausflugslokal am Ufer der Spree. Das Bauwerk heute stammt aus den 1950er Jahren und ist ein Neubau an gleicher Stelle.

Hier im Treptower Park zeigte aber auch die Berliner Kolonialausstellung auf äußerst unrühmliche Weise die erste Völkerschau im Deutschen Kaiserreich. Sie war in die Berliner Gewerbeausstellung räumlich integriert, die hier auf dem Gelände veranstaltet wurde. Die Kolonialausstellung wurde 1896 rund um den Karpfenteich im Treptower Park ausgetragen und zog rund zwei Millionen Besucher an.

Es gab Kulissendörfer entlang des Ufers am Karpfenteich, dort mussten 106 Frauen, Männer und Kinder aus den Deutschen Kolonien den Besuchern den Eindruck ihres dortigen Lebens und ihre Bräuche nahebringen. Mit falschen Versprechungen wurden diese Menschen aus ihrer Heimat nach Deutschland gelockt und zur Arbeit für die Kolonialausstellung gezwungen und missbraucht. Erst 2017 wurden die Ereignisse in einer Ausstellung gründlich aufgearbeitet.

Sehenswert im Treptower Park ist auch die Archenhold-Sternwarte: Sie ist die älteste und größte Volkssternwarte Deutschlands mit dem längsten beweglichen Linsenfernrohr der Welt. Die Archenhold-Sternwarte hat den Krieg fast unbeschädigt überstanden. Ganz in der Näher an der Spree ist auch die Insel der Jugend einen Ausflug wert.

Rostendes Fahrgastschiff im Osthafen

Das Fahrgastschiff MS “Dr. Ingrid Wengler” liegt rostend und traurig im Osthafen Berlins und wartet auf seine Zukunft – vermutlich auf die Verschrottung. Ende der 50er Jahre vom Stapel gelaufen hätte es zu Wende-Zeiten in der DDR eigentlich eine rosige Zukunft haben können, es sollte Touristen über die Wassertrassen in Mecklenburg und Brandenburg fahren. Als der Fahrgastbetrieb in Berlin aufgenommen wurde, erfreute sich die “Dr. Ingrid Wengler” zunächst großer Beliebtheit.  Letztlich gelang der Betrieb aber nicht – wohl auch auf Grund der noch maroden Infrastruktur z.B. an Schleusen in der Zeit nach der DDR – seit 20 Jahren liegt das Schiff nun vor Anker. Die ganze Geschichte liest du hier in meinem Blog.

Spreepark: Erst Kultur und Vergnügen, später lost place

Der Spreepark Plänterwald Berlin – ein alter, verlassener Vergnügungspark, der bis 2002 noch in Betrieb war. Dann kam die Pleite, teilweise der Ausverkauf von Ausstellungsobjekten, seitdem gammelte das Gelände vor sich hin. Der Spreepark wurde am 4. Oktober 1969 zum 20. Geburtstag der DDR eingeweiht. Als „VEB Kulturpark“ war er der einzige ständige Rummelplatz in der DDR.

Nach der Wiedervereinigung wurde der Park abgewickelt und privatisiert. Die neue Firma mit neuem Konzept hielt immerhin rund 10 Jahre durch – dann war Schluss. Immer wieder gab es Versuche ihn zu beleben – jetzt scheint ein neues Konzept gefunden: das Gelände soll als Naturpark wieder öffnen.

Im Zuge der Wiederbelebung des Geländes durfte ein Juwel bereits renoviert und ausgeputzt wiedereröffnen: Über 100 Jahre war das Eierhäuschen Ausflugslokal für Berlinerinnen und Berliner Nahe der Spree in Treptow, später Teil des Berliner VEB Kulturparks. 2019 zog wieder Leben in das historische Gebäude ein, es begann die denkmal- und umweltgerechten Sanierung des Eierhäuschens. Ganz wie früher entstanden wieder der Innen- und Außenbereich des Eierhäuschens als Ausflugslokal direkt am Wasser.

Johannisthal auf der Schiene und in der Luft: Bahn- und Flugbetrieb

Am S-Bahnhof Johannisthal lässt sich vortrefflich in die Verkehrsgeschichte eintauchen – Johannisthal hat sowohl Bahngeschichte mit dem Betriebswerk Oberschöneweide geschrieben, aber auch Luftfahrtgeschichte, denn hier öffnete der erste unternehmerisch geführte Flugplatz. In damals innovativen Windkanälen wurde das Verhalten abstürzender Flugzeuge erforscht.

Der Flugplatz Johannisthal war quasi der Vorgänger des Flughafens Tempelhof. Er wurde bereits im September 1909 in Betrieb genommen. Die Nutzung für den zivilen Passagierluftverkehr endete 1923, als Tempelhof eröffnete. Im Krieg wurde das Flugfeld stark beschädigt und danach nur noch militärisch genutzt. 1995 wurde der Flugplatz dann offiziell geschlossen, das Flugfeld ist heute Naturschutzgebiet und Landschaftspark, umrandet von einer Trockenmauer soll das frühere Flugfeld nicht betreten werden.

Sehenswert sind auch die erhaltenen Gebäude der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt in Johannisthal. Nicht zu übersehen ist der alte Trudelturm aus Beton. Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt ließ ihn zwischen 1934 und 1936 errichten. Daneben steht noch der rund 130 Meter lange Windkanal, in dem heute ein Café untergebracht ist. Der Turm stellte bei seiner Errichtung eine „absolute technische Innovation“ dar, mit der erstmals der gefährliche Zustand des Trudelns eines Fliegers in der Luft simuliert werden konnte.

Aus der Luft auf die Schiene: Auf dem Gelände des Bahnbetriebswerks Schöneweide entstanden ab 1902 ein eindrucksvoller Ringlokschuppen, ein Wasserturm und Verwaltungsgebäude. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Bahnbetriebswerk einigermaßen unbeschadet. Bis 1994 blieb es durchgehend in Betrieb. Als klar war, dass jede schöne Zeit auch hier mal zu Ende geht, setzten sich Bahnfreunde ehrenamtlich für den Erhalt der historischen Züge und Lokomotiven ein. So kannst du noch bis heute hier unter Dampf in die Vergangenheit eintauchen.

Ein schöner Spaziergang ist übrigens auch der Weg über den Kaisersteg über die Spree (ab S-Bahnhof Schöneweide). Der Kaisersteg ist eine Fußgängerbrücke, die den Ortsteil Niederschöneweide in Treptow Köpenick mit dem Industriesalon Oberschöneweide verbindet. 1945 war der Steg gesprengt worden, im September 2007 wurde der neue Kaisersteg eröffnet.

Grünau: Feste für die gehobene Klasse und Funk für den Klassenfeind

Der kleine Ort Grünau an der Spree mit seinen feinen Villen kann auf eine vielfältige „gehobene“ Geschichte zurückblicken: Idyllisch liegt es am Ufer der Dahme und war einst ein beliebtes Erholungsziel. Das Café Liebig, eine Jugendstil-Oase in Grünau, berichtet von dieser Zeit, es wurde liebevoll restauriert. Aber auch große festliche Anlässe wurden in Grünau gefeiert, das denkmalgeschützte Haus Riviera zeugt davon: 1890 entstand hier ein Tanzsaal mit acht Meter hohen Rundbogenfenstern zu allen Seiten, das so genannte Restaurant Bellevue hatte eine wunderbare Aussicht zur Dahme.

Das Gebäudeensemble überlebte den zweiten Weltkrieg und die DDR fast unbeschädigt, nicht aber die Wiedervereinigung. Von da an stand das denkmalgeschützte Haus Riviera leer und verfiel. Im Jahr 2019 stand die Ruine schließlich in Flammen, die Decke stürzte ein bis ins Erdgeschoss, verkohlte Balken, nur noch die äußere Hülle blieb erhalten. Heute erstrahlt der frühere Ballsaal im Gesellschaftshaus Riviera Grünau wieder, er ist Teil einer Seniorenwohnanlage.

Wenige hundert Meter weiter wurde in Grünau Sportgeschichte geschrieben, denn hier befindet sich die älteste Sportstätte Berlins: Die 2000 Meter lange Regattastrecke Grünau auf der Dahme war Austragungsort der Kanu- und Ruderwettbewerbe der Olympischen Spiele im Jahr 1936. Noch heute ist die Strecke in Betrieb.

In einem Gebäude des Wassersportklubs zog nach dem Zweiten Weltkrieg der staatliche Rundfunk der Sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR ein, um das Gebäude als Funkhaus zu nutzen. Nicht die „offiziellen“ Programme wurden von hier gesendet, eher das konspirierende „etwas andere“ Radioprogramm. So spielte das Funkhaus Grünau eine besondere Rolle mit dem Deutschen Freiheitssender 904 (DFS 904). Die SED-Führung führte das propagandistische Programm wie aus dem Nichts am 17. August 1956 ein, dem Tag des Verbots der KPD. Er sendete auf Mittelwelle 904, daher sein Name. Heute ist das Funkhaus Grünau nun schon seit vielen Jahren ungenutzt und fällt kontinuierlich ein Stück mehr in sich zusammen.

Noch ein pikantes Programm war hier ganz in der Nähe auf Sendung: Der deutsche Soldatensender 935, der in den späten 50er Jahren auf das Nachbargrundstück Regattastraße 267 zog. Der Sender sollte die westdeutschen Bundeswehrsoldaten ideologisch beeinflussen und demoralisieren.

Farbenfrohes Wohnen in Grünau: Die Tuschkastensiedlung

Die kleine Wohnsiedlung in Grünau kommt sehr farbenfroh daher – ganz so, wie es der typische Stil des Architekten Bruno Taut ist. Deshalb auch der Name Tuschkastensiedlung. Wer Fan dieser Architektur ist (oder einfach mal eine süße Wohnsiedlung kennenlernen möchte, die vielleicht inspiriert), sollte in die Gartenstadt Falkenberg nach Berlin-Grünau kommen. Besonders lohnt sich der Gartenstadtweg und auch die Sackgasse Akazienhof solltest du unbedingt besuchen.

Noch ein Tipp: Wenn du deinen Besuch in Grünau Richtung Müggelsee fortsetzen möchtest, empfehle ich die Fähre F12. Sie ist eine der Fähren, die du mit einem einfachen BVG-Ticket nutzen kannst. Sie führt dich in gut 2 Minuten über die Dahme, von Grünau zum Wendenschloss. Ohne die Fährverbindung müsstest du einen riesigen Umweg in Kauf nehmen. Die Verbindung wurde bereits vor dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen.