Der Potsdamer Platz steht wohl auf jedem Zettel eines Berlin-Touristen und die Reiseführer überschlagen sich mit Lob für seine moderne Architektur an seinem historischen Ort – ich nicht. Für mich ist der Potsdamer Platz ein Beispiel, wie die Stadt der Zukunft nicht aussehen sollte, trotzdem stelle ich ihn dir in dieser kleinen Tour vor, denn du sollst ja mitreden können (oder dir ein eigenes Bild machen).

Für den Spaziergang rund um den Potsdamer Platz solltest du einen halben Tag einplanen, du erreichst den Potsdamer Platz mit den S-Bahnlinien S1/S2/S25 und S26 oder mit der U2 – idealerweise solltest du diese Tour an einem Mittwoch planen, dazu unten mehr.

Wenn du ein echter Tourist bist, hast du natürlich fest vor, das Brandenburger Tor zu besuchen, dann kannst du auch zu Fuß zum Potsdamer Platz über die Ebertstraße gelangen. Der Weg lohnt sich, denn rechts flankiert dich der Tiergarten, links siehst du zunächst das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, danach reihen sich Landesvertretungen wie Hessen und Niedersachsen bis du den Potsdamer Platz erreichst.

Mit unserer Tour um den Potsdamer Platz starten wir direkt an der weit sichtbaren Ampel in mitten des Platzes, wobei korrekt hieß diese Ampel mal „Verkehrsturm“. Sie war dafür die erste Verkehrsampel in Deutschland, der fünfseitige Turm war seit dem 15. Dezember 1924 in Betrieb und regelte den Verkehr auf dem Potsdamer Platz. Denn hier war in den 20er Jahren schon sehr viel los, der Platz galt als der verkehrsreichste Platz Europas, ein wichtiger Verkehrsknoten.

Damit war der Potsdamer Platz schon immer ein Ort von Rang – auch im aufstrebenden Berlin der Goldenen 20er Jahre. Der Zweite Weltkrieg legte den Platz weitestgehend in Schutt und Asche, zur Zeit des geteilten Berlins war er eine Brache mitten im Grenzgebiet. Hier grenzten der britische und amerikanische Sektor direkt an die Berliner Mauer mit dem Ost-Sektor. Deshalb brauchte es auch weitere knapp 30 Jahre, bis der Potsdamer Platz in den 90er Jahren wieder wachgeküsst wurde.

Zunächst wollen wir uns einen Überblick über den Potsdamer Platz verschaffen und besuchen den Panoramapunkt, eine sehenswerte Aussichtsplattform in luftiger Höhe. Den Eingang ins Gebäude findest du von der Potsdamer Straße aus. Von hier oben schaust du auf das Dach vom Center am Potsdamer Platz (früher Sony-Center), du blickst auf die Philharmonie und siehst gleich neben dem Potsdamer Platz den Straßenverlauf des Leipziger Platzes.

Auf dem Leipziger Platz kann ich dir übrigens zwei interessante Museen anbieten, wenn du noch etwas Zeit mitgebracht hast: Das Deutschlandmuseum entführt dich anschaulich und beeindruckend unterhaltsam in die Deutsche Geschichte – über das Mittelalter, dem Deutschen Reich Römischer Nation, den Zweiten Weltkrieg und die Teilung des Landes in die Zeit bis heute. Das Spionage-Museum taucht tief ein in die Zeit der Agenten, denn das geteilte Berlin war wohl unumstritten eine Hochburg für Spitzel, getarnte Informanten und Agenten. Wenn du es etwas profaner magst, kannst du aber auch schlicht die Mall auf Berlin besuchen, eines der größten Einkaufszentren der Stadt.

Rechts vom Leipziger Platz gelangst du von der Stresemannstraße aus in eine kleine unscheinbare Seitenstraße, die Erna-Berger-Straße. Fast an ihrem Ende erblickst du ein Relikt aus der Zeit von Mauer und Stacheldraht, einen original erhaltenen Wachturm der DDR Grenztruppen. Zu Zeiten der Teilung war der Potsdamer Platz eine leere Brache, weite Teile befanden sich mitten im Todesstreifen.

Auf der anderen Straßenseite der Stresemannstraße steht noch ein Relikt aus DDR-Zeiten: Der Stumpf eines Denkmals. Hier sollte sich einst Karl Liebknecht erheben, Liebknecht war Mitbegründer des „Spartakusbundes“ und organisierte am 1. Mai 1916 auf dem Potsdamer Platz eine Demonstration für die Beendigung des Ersten Weltkriegs. Zu DDR-Zeiten sollte er hier auf dem Potsdamer Platz sein Denkmal erhalten, doch so weit kam es nicht. Selbst DDR-Größen machten die Rechnung ohne die Berliner Mauer, denn ab 1961 stand der Sockel im Grenzstreifen, nach Fall der Mauer wurde der Sockel eingelagert. Seit 2003 steht der Sockel wieder am Platz, jetzt mit einer Informationstafel.

Hinter dem Sockel auf der linken Seite der Potsdamer Straße erblicken wir eine wohltuend alte Fassade in mitten moderner Glas- und Betonarchitektur, die Fassade des Weinhaus Huths. Nicht mehr viel erinnert an die Zeit der Goldenen 20er Jahre – am Ende des Artikels fasse ich dir noch kurz zusammen, was du heute nicht mehr sehen kannst. Etwas weiter öffnet sich links aber ein Food-Court, der einen Besuch lohnt.

Das günstigere und kulturell wertvollere Mittagessen bekommst du aber mittwochs: Hinter dem Potsdamer Platz, aber fußläufig gut zu erreichen, gelangst du in der Herbert-von-Karajan-Straße zur Berliner Philharmonie. Neben einem etwa 45-minütigem Gratis-Konzert im Foyer bekommst du ein leichtes Mittagessen vom Buffet. Zu hören sind zumeist Werke für Klavier, Cello, feinste Kammermusik ganz unterschiedlicher bekannter und unbekannter Komponisten. Aber nur mittwochs.

Falls du an einem anderen Wochentag in der Nähe bist, empfehle ich dir die Kantine im Abgeordnetenhaus in der Niederkirchnerstraße. Hier kannst du die Kantine der Mitarbeiter und Abgeordneten ab 12.30 Uhr frei zugänglich nutzen. Den Personalausweis nicht vergessen, denn am Eingang gibt es natürlich einen Security-Check mit Durchleuchten, aber unkompliziert und freundlich.

Was es heute (fast) nicht mehr auf dem Potsdamer Platz zu sehen gibt, aber dennoch die bewegende Geschichte des Platzes maßgeblich geprägt hat: Das Weinhaus Huth. Die Reste der Außenfassade finden such auf der linken Seite, wenn du in die Potsdamer Straße einbiegst. Wein suchst du hier heute aber vergeblich.

Auch nur noch in Resten kannst du auf dem Potsdamer Platz das Grand Hotel Esplanade entdecken. Es stand vor dem Krieg in der Bellevuestraße am Rande des Potsdamer Platzes und gehört in den Goldenen 20ern zu den berühmtesten Hotels in Berlin. Es wurde im Zweiten Weltkrieg bei einem Luftangriff weitgehend zerstört, ein wirklich winziger Teil ist heute in das Center am Potsdamer Platz integriert.

Und: Das Haus Vaterland. Haus mehrerer Restaurants, Bars, Cafés – ein Vergnügungstempel der Goldenen 20er Jahre. Im Krieg schwer zerstört, in den 70ern wurde das Haus endgültig abgerissen. Heute steht der Nachfolgebau Potsdamer Platz Nr. 10 dort, wo sich früher das Haus Vaterland befand. Die runde Fassade des Gebäudes an der Nordseite erinnert an das Haus Vaterland, eine Kuppel wie früher hat das Gebäude aber nicht.

Kategorien: AllgemeinGeschichte

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